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Blumen statt Beton

Interview mit Andreas Gahl, Geschäftsführer der MPG Mendener Präzisionsrohr GmbH

© Katrin Neumann. Fotografie

Andreas Gahl ist Geschäftsführer der MPG Mendener Präzisionsrohr GmbH. Rund zehn Hektar umfasst das Werksgelände in Menden. Auf der Hälfte wachsen Obstbäume, brüten Vögel und blühen Blumen, wo zuvor Beton war. Gahl ließ diesen Teil des Geländes neu bepflanzen und fördert so die Biodiversität. Vom Lorbeerbusch – einem Klassiker auf Unternehmensgeländen – hat er sich verabschiedet. Ein Gespräch über Wildschweine, unternehmerische Verantwortung und warum es ganz ohne Rasenmäher noch nicht geht.

Herr Gahl, wie sieht es auf Ihrem Werksgelände aus?

Was als erstes auffällt, sind die ungemähten Freiflächen. Wir mähen zweimal im Jahr. Die Mahd muss dann komplett entfernt werden, damit sich nicht zu viel Humus bildet. Das musste ich auch erst lernen, dass zu viel Humus nicht gut ist für Blumen. Weiterhin haben wir Totholzansammlungen als natürliche Nistplätze für Insekten, Bienenhotels, Bienenstöcke und Brutkästen für Vögel. Wir haben auch Obstbäume und Obststräucher gepflanzt und Flächen entsiegelt, also Beton aufgebrochen und dort Blumen gepflanzt.

Wenn Sie in Ihrer Region in Nordrhein-Westfalen unterwegs sind, begegnen Ihnen dann ähnliche Firmengelände?

Noch sind wir ein absoluter Exot. Viele belächeln uns, weil sie das Thema Biodiversität nicht brisant finden und denken, dass ich da jetzt sehr weit gehe. Noch ist das Ideal auf Werksgeländen kurz geschnittene Rasen, vielleicht ein in Form geschnittener Lorbeerbusch, dazu ein Fahnenmast. Es muss sich erst ein ästhetisches Empfinden für Vielfalt, Blühstreifen, Wildwuchs und Totholzansammlungen entwickeln. 

Wie haben Ihre Mitarbeiter*innen auf die Neugestaltung reagiert?

Am Anfang gab es schon den Hinweis, es müsse dringend mal wieder gemäht werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter empfanden das Firmengelände als unordentlich und vernachlässigt. Damit erkennbar wird, dass das so gewollt ist, mähen wir weiterhin die Ränder der Wege, einen Streifen von einem bis eineinhalb Meter. So sind die biotopartigen Bereiche abgegrenzt. Im Sommer ist es besonders schön, wenn innerhalb der Blühstreifen die Blumen wachsen. Hinzu kommt: Wir haben immer wieder Wildschweinbesuch auf unserem Gelände. Bisher wurde unser Rasen regelmäßig umgegraben. Das fällt nun nicht mehr so ins Auge.

Wie kam es zum Wechsel vom gemähten Rasen zur wilden Wiese?

Die Idee entstand auf einer Weihnachtsfeier. Einer unserer Mitarbeiter ist beim NABU. Er kam auf mich zu und erzählte, was er gerne auf dem Firmengelände verändern würde. Er war dann frei darin, das umzusetzen und permanent weiterzuentwickeln.

Macht Ihr Mitarbeiter das allein?

Wir haben eine Firma, die die Gartenanlage pflegt. Mit der wurde besprochen, nicht mehr alle zwei Wochen zu mähen, sondern nur zweimal im Jahr. Nur noch die Flächen entlang der Wege werden regelmäßig gemäht. Der Gartenbaubetrieb findet das gut, trägt das mit und berichtet, dass er inzwischen auch öffentliche Flächen so gestaltet.

Und wie viel hat das alles gekostet?

Unterm Strich sparen wir sogar, weil der Gärtner nicht mehr so oft mähen muss. Was etwas gekostet hat, war die Fläche von rund 200 Quadratmetern zu entsiegeln und den Schutt abzutransportieren.  Aus meiner Sicht kann man aber nicht von Kosten reden, es ist vielmehr eine Frage der Haltung und dem, was man als schön empfindet.

Auf Ihrer Homepage bewerben Sie Ihre Blühwiese aber nicht.

Das ist einfach ein Zeitproblem. Wir machen das, weil wir das wichtig finden. Aber es ist nicht Teil einer Marketingstrategie.

Könnte es nicht hilfreich sein, um zum Beispiel potenzielle Mitarbeiter*innen auf sich aufmerksam zu machen?

Wir haben unterschiedliche Energienetzwerke und Klimainitiativen in der Region angeschoben und darüber wurde medial berichtet. Wir sind bekannt dafür, dass wir auf dem Weg Richtung Klimaneutralität Vorreiter sind. Das wird auch eindeutig von Bewerbern und Bewerberinnen wahrgenommen. Biodiversität hat bei diesen Veröffentlichungen keine Rolle gespielt. Mir ist aber wichtiger, es passiert mehr, als dass darüber geschrieben wird.

Für den Klimaschutz sind Ihre Mitarbeiter*innen also schon sensibilisiert?

Auch bei diesem Thema höre ich selbst von jüngeren Mitarbeitern: „Ach, so schlimm kann das ja nicht sein.“ Dass Biodiversität ähnlich brisant ist, ist überhaupt nicht im Bewusstsein. Es ist sehr schwer, das im betrieblichen Bereich zu kommunizieren und dafür ein Problembewusstsein zu schaffen.

Seit wann beschäftigen Sie sich mit Biodiversität?

Schon seit vielen Jahren. Dass Biodiversität als Lebensgrundlage für uns Menschen massiv bedroht ist und die Thematik eine ähnliche Brisanz hat wie die Klimaneutralität, ist mir leider erst seit drei, vier Jahren bewusst.

Wie können mehr Unternehmer*innen für das Thema Biodiversität und gewonnen werden?

Was der DIHK macht, ist wichtig, weil jetzt von einer Interessensvertretung der Unternehmen selbst gesagt wird: „Das ist ein wichtiges Thema für euch.“ Ähnlich wie der Klimaschutz muss auch die Biodiversität nach vorne gerückt werden, um Unterstützer zu gewinnen. Dann kann auch hier eine positive Dynamik entstehen und das Thema mehr Unterstützer finden, auch im Kreise der Unternehmen.

Erwarten Sie einen noch stärkeren Einsatz von politischer Seite?

Ich bin nicht so ein Freund davon, dass die Politik alles regeln muss. Unternehmerinnen und Unternehmer können das doch auch aus eigenem Antrieb machen – weil es wichtig ist. Nehmen wir das Beispiel Energieeinsparungen. Die Politik hat in den vergangenen Jahren so viel gemacht, um Klimaneutralität zu fördern. Mehr kann sie nicht tun. Trotzdem gibt es noch so viele Unternehmen, die das Thema lange nicht konsequent verfolgt haben. Erst jetzt vor dem Hintergrund massiv gestiegener Energiepreise und des Gasnotstandes rückt es in den Fokus. Warum nicht schon vorher? Der Klimawandel, der langfristig unseren Wohlstand und den weltweiten Frieden bedroht, war für viele Unternehmen bis jetzt kein Grund, alles Mögliche zu tun, um Energie einzusparen. Das Thema Biodiversität ist ähnlich wie seinerzeit der Klimawandel nicht auf der Agenda der meisten Unternehmen. Wir Unternehmerinnen und Unternehmer müssen nicht immer nur auf monetäre Anreize oder politische Verbote reagieren. Um solche existenziellen Themen müssen wir uns frühzeitig kümmern.

© UBi


Unternehmen Biologische Vielfalt

Biodiversität ist innerhalb der deutschen Wirtschaft nach wie vor ein Nischenthema. Vielen Unternehmen ist nicht bewusst, dass sie von funktionierenden Ökosystemleistungen abhängig sind. Mit dem Verbundprojekt Unternehmen Biologische Vielfalt wollen wir Unternehmen für das Thema sensibilisieren und mobilisieren. Die Industrie- und Handelskammern entwickeln wir dafür zu regionalen Biodiversitäts-Kompetenzzentren. Kleine und mittelständische Unternehmen finden hier ihre Ansprechpartner*innen, um Biodiversität entlang aller Produktionsschritte mitzudenken. Mit regionalen Netzwerken, Coachings und unterschiedlichen Veranstaltungsreihen ermutigen wir Unternehmen, die nächsten Schritte zu gehen. Denn: Die Biologische Vielfalt ist schlichtweg essenziell für eine Wirtschaft, die eine Zukunft haben möchte.