Ein Azubi geht voran
Victor aus Saragossa in Spanien, macht dort eine Umschulung zum Kälte- und Klimatechniker. Schon während seiner Ausbildung hörte er von Erasmus+. Für ihn stand sofort fest: Deutschland sollte es sein. „Deutschland ist für seine solide Handwerksarbeit bekannt, Berlin für seine Multikulturalität mit Englisch komme ich hier gut zurecht. Für mich war das die perfekte Kombination.“ Seit seinem Abschluss macht er ein dreimonatiges Praktikum bei Delta T, einem Berliner Handwerksbetrieb für Klima- und Kältetechnik. Zu seinen Aufgaben gehören Installationen, Wartungen und Reparaturen. „Die technischen Prozesse sind ähnlich wie in Spanien, aber ich konnte neue Hersteller kennenlernen und mein Wissen vertiefen. Für mich ist es eine einmalige Chance - learn things and get expertise“, sagt Victor.
Der Betrieb profitiert
Auch Sven Klafack, Geschäftsführer von Delta T, zeigt sich begeistert: „Wir bilden aus. Warum sollten wir nicht auch Menschen aus dem Ausland die Möglichkeit geben, hier Erfahrungen zu sammeln? Es bringt frischen Wind in den Betrieb.“ Für ihn ist es nicht nur ein Gewinn an Fachwissen, sondern auch eine neue Dynamik im Team: „Man erklärt bewusster, achtet mehr aufeinander. Und die jungen Leute bringen ihre eigenen Perspektiven mit. Das macht uns alle aufmerksamer.“
In einem Online-Meeting lernte er Victor erstmals kennen. „Ansonsten habe ich es auf uns zukommen lassen und lediglich überlegt, was die ersten Aufgaben sein könnten. Die Papierangelegenheiten waren keine große Sache“, erinnert sich Sven Klafack.
Dass Erasmus+ nicht nur für Studierende, sondern auch für Auszubildende gilt, war ihm zunächst neu. „Viele wissen das nicht. Dabei ist es eine großartige Chance den eigenen Auszubildenden internationale Erfahrungen zu ermöglichen, diese zu fördern und auch potenzielle Fachkräfte aus dem Ausland kennenzulernen.
Unterstützung durch die Berliner Handwerkskammer
Ein Praktikum in Berlin, diese Chance hat Victor dank der Unterstützung der Handwerkskammer Berlin bekommen. Organisiert wurde sein Aufenthalt von Susanne Boy, Mobilitätsberaterin in der Kammer: „Ich bekam eine Bewerbung von Victor aus Spanien und habe potenzielle Betriebe angefragt und so kam der Kontakt zu Sven Klafack von Delta T zustande, der sofort Interesse gezeigt hat“, erzählt Boy, die Betriebe auch bei den Formalitäten unterstützt. „Sprachbarrieren oder formale Unsicherheiten sind für einige Betriebe ein Hemmnis, im Gespräch können wir ihnen diese Sorge meist nehmen“.
Ausbildungsbetriebe entsenden ihre Auszubildende in der Regel zwischen zwei bis sechs Wochen ins Ausland. Auch hier hilft die Kammer: „Wir begleiten alle organisatorischen Schritte - von der Bewerbung über die Förderung bis zur Suche nach einem geeigneten Praktikumsplatz. Erasmus+ übernimmt Reise- und Unterkunftskosten, der Betrieb zahlt den Lohn weiter. Der Aufwand für die Betriebe bleibt gering“, erklärt Boy und fügt hinzu: „Möglich ist im Übrigen auch ein beruflicher Lernaufenthalt im Ausland von bis zu zwölf Monate nach der Ausbildung.“
Und: Erasmus+ fördert nicht nur Azubis, sondern auch Ausbilder:innen. Über ein sogenanntes Job-Shadowing oder Hospitationen können sie selbst für eine Zeit ins Ausland gehen, internationale Eindrücke sammeln und ihr Netzwerk erweitern.
Die ersten Schritte
Erste Informationen gibt es auf der Seite des bundesweiten Netzwerks Berufsbildung ohne Grenzen (BoG). Hier sind auch die über 80 regionalen Mobilitätsberater:innen an den und Handwerks- Industrie- und Handelskammern (HWKs und IHKs) aufgelistet. Doch der Weg ins Ausland beginnt im Ausbildungsbetrieb: Ohne dessen Zustimmung geht nichts. Danach ist die Handwerks- oder Industrie- und Handelskammer der wichtigste Ansprechpartner: Zielland und Dauer festlegen, Betriebe im Ausland finden, Bewerbung und Verträge erstellen und Förderanträge ausfüllen.
Die beiden großen Förderprogramme
Erasmus+, das EU-Programm für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport verfügt über ein Budget von 26,2 Milliarden Euro für den Zeitraum 2021 bis 2027. Aktuell werden die Rahmenbedingungen für die Zeit ab 2028 verhandelt. Gefördert werden Auszubildende, junge Fachkräfte bis zu einem Jahr nach der Ausbildung und auch Ausbilder:innen innerhalb Europas. Erasmus+ unterstützt bei Reise- und Unterkunftskosten sowie Sprachvorbereitungskursen. AusbildungWeltweit, das Programm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) ermöglicht praxisorientierte Aufenthalte außerhalb Europas. Gut zu wissen: Die Fördergelder beider Programme können durch HWKs und IHKs beantragt werden. Für Betriebe bedeutet das: Sie sind nicht allein mit der Bürokratie. Kompetente Partner übernehmen die Organisation und helfen bei allen Formalitäten und das kostenlos.
Wachsende Nachfrage
Die Zahlen sprechen für sich: Während bislang rund 30 % der Studierenden ins Ausland gehen, sind es bei Auszubildenden nur 8–9 %. Doch die Nachfrage wächst. Victor hat seinen Schritt nicht bereut: „Ich habe nicht nur fachlich viel gelernt, sondern auch mehr Selbstbewusstsein gewonnen.“ Sein Ziel: Zunächst Berufserfahrung im Praktikum sammeln und dann einen Job finden. Am liebsten in Deutschland, wo er sich gut eingelebt und bereits solide Sprachkenntnisse erworben hat. Was mit Worten nicht gelingt, lässt sich im Handwerk anschaulich zeigen.
Für Betriebe wie Delta T ist Erasmus+ eine Antwort auf den Fachkräftemangel. „Man kann nicht immer nur jammern“, sagt Sven Klafack mit einem Lächeln. „Es ist auch eine gute Möglichkeit, junge Menschen zu fördern, die Ausbildung attraktiv zu gestalten und vielleicht künftige Fachkräfte zu gewinnen.“
Fazit: Auslandspraktika machen Betriebe internationaler, attraktiver und zukunftsfähiger. Wer als Ausbildungsbetrieb seinen Azubi ins Ausland schickt oder selbst einen jungen Menschen aus Europa aufnimmt, investiert nicht nur in die betriebliche Fachkompetenz, sondern auch in die Zukunft des Unternehmens.
Mehr Informationen zu Auslandspraktika und Beratungen finden Sie auf der Seite von Berufsbildung ohne Grenzen